Prof. Dr. Wolfgang Klosterhalfen, 28.8.2017 / 4.2.2019
Zur Freude des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) e.V. Univ.-Prof. i.R. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher über die Ablehnung meiner Verfassungsbeschwerde gegen § 217 StGB
Am 20.7.2017 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, die Beschwerde 2 BvR 2492/16 mangels Aussicht auf Erfolg und meine eigene Beschwerde (2 BvR 2507/16) mangels unmittelbarer und gegenwärtiger Beschwer nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Dazu wird Herr Professor Birnbacher in einer Presse-Erklärung der DGHS vom 1.8.2017 (http://bit.ly/2wDA8lv) wie folgt zitiert:
„Beide Entscheidungen freuen uns sehr, da sie uns auf eine sachgerechte Entscheidung in der eigentlichen Sache hoffen lassen“, kommentiert der Präsident der DGHS, Professor Dieter Birnbacher.“
Weiter heißt es dort:
„Eine weitere Verfassungsbeschwerde einer Einzelperson hatte das BVerfG ebenfalls
abgelehnt, da diese keine konkrete Betroffenheit, z. B. durch Vorliegen einer schweren
Erkrankung, nachweisen konnte.“
Wie in meiner 110-seitigen Beschwerde ausgeführt, liegt eine unmittelbare und gegenwärtige „Beschwer“ insofern durchaus vor, als § 217 mich daran hindert, eine vorsorgliche Verabredung mit einem Suizidhilfe-Verein oder einem Einzelhelfer zu treffen. § 217 ist schon aus diesem Grund ein schwer wiegender Eingriff in meine Grundrechte. Außerdem habe ich argumentiert, dass ich daran gehindert werde, Bekannten, die in Not sind, beim Suizid zu helfen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist aber vor allem deswegen skandalös, weil eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass ich eines Tages in eine aussichtlose Situation kommen werde, in der ich mein Leiden vor dem Tod mit professioneller Hilfe auf eine sichere, humane und Dritte nicht unnötig schädigende Weise abkürzen möchte. Wegen eines standesrechtlichen Suizidhilfeverbots und § 217 würde ich diese Hilfe voraussichtlich nicht bekommen.
Das BVerfG kann sich bei seiner Forderung nach Gegenwärtigkeit übrigens nicht auf das BVerfGG berufen, sondern nur auf eigene Entscheidungen, u.a. auf BVerfGE 74, 297 <319>.
Nur eine Seite weiter heißt es dort allerdings: „Von einer gegenwärtigen Betroffenheit geht das Bundesverfassungsgericht aber auch dann aus, wenn … klar abzusehen ist, daß und wie der Beschwerdeführer in der Zukunft von der Regelung betroffen sein wird.“
Es ist klar abzusehen, dass und wie ich in Zukunft betroffen sein könnte. Der von den Kirchen geforderte und zu mindestens 90% von christlichen Abgeordneten beschlossene § 217 StGB wird mich (und zigtausend andere Menschen) mit erheblicher Wahrscheinlichkeit eines Tages dazu zwingen, gegen meinen/ihren Willen weiter zu leben oder vorzeitig und einsam zu einer brutalen und andere Menschen unnötig schädigenden Suizidmethode zu greifen.
Den Text meiner Verfassungsbeschwerde und meine Stellungnahme „Zur skandalösen Nicht-Zulassung meiner Verfassungsbeschwerde gegen § 217 StGB“ finden Sie von dieser Seite aus: www.reimbibel.de/217.htm
Ergänzung vom 4.2.2019
Herr Prof. Birnbacher hat sich mit Schreiben vom 18.12.2018 bei mir entschuldigt, sich von der oben zitierten Meldung der Pressestelle der DGHS distanziert und mir erklärt:
„Natürlich war ich, auch wenn ich die Entscheidung nachvollziehen konnte, nicht hocherfreut über den Vorgang.“
Während Herr Dr. Birnbacher anscheinend die Auffassung des BVerfG teilt, dass gegen die Einschränkung der Entscheidungsfreiheit am Lebensende durch § 217 nur schon sterbenskranke Bürger das Recht hatten, Verfassungsbeschwerde einzulegen, halte ich bei meiner Beschwerde die Forderung einer „Unmittelbarkeit und Gegenwärtigkeit der Beschwer“ für unangemessen und die Nichtzulassung meiner Beschwerde für skandalös, da sie in Widerspruch zu § 93a BVerfGG und zur Rechtsprechung des BVerfG steht.
Siehe dazu: www.reimbibel.de/217nz.pdf .