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Zur skandalösen Nähe von Bundesrichtern zu den Kirchen

Prof. Dr. Wolfgang Klosterhalfen, In der Donk 30, 40599 Düsseldorf, 28.6.2018, wk@reimbibel.de
Zuletzt ergänzt: 3.3.2.2019
Dieser Text im Internet: www.reimbibel.de/217-StGB-Richter-Kirchen.pdf

„Stets findet Überraschung statt, wo man sie nicht erwartet hat.“
Nach den Verfassungsorganen Bundestag, Bundesrat, Bundes-
regierung, Bundeskanzler und Bundespräsident hatte sich zunächst
auch das Bundesverfassungsgericht Ende 2015 bei der Ablehnung eines
Eilantrags hinter den verfassungswidrigen § 217 StGB gestellt und sich
dessen (aus meiner Sicht vorgeschobener) Begründung angeschlossen.
Nicht zuletzt durch Bundesrichter Johannes Masing, der für den
befangenen Richter Peter Müller einspringen musste, hat sich
inzwischen aber das Blatt gewendet. Spätestens seit dem 17. April 2019
(2. Tag der mündlichen Verhandlung) ist anzunehmen, dass der Zweite
Senat § 217 für verfassungswidrig erklären wird. Diese „schallende
Ohrfeige“ haben sich die Damen Göring-Eckhardt, Griese, Högl, Merkel,
Vogler sowie die Herren Augsberg, Bedford-Strohm, Brand, Brysch,
Gauck, Gröhe, Huber, Marx, Sitte, Spahn und viele weitere 217-
Initiatoren und Befürworter redlich verdient.

Nun ist allerdings zu befürchten, dass durch eine neue gesetzliche
Regelung der ärztlich unterstützte Suizid zwar wieder im Prinzip möglich
gemacht wird, aber das ärztliche Standesrecht, ein staatlich kontrolliertes
Prüfverfahren und christliche Fundamentalisten weiterhin dafür sorgen
werden, dass sich an der katastrophalen Lage in Deutschland (jährlich
zigtausende Fälle von unnötig in die Länge gezogenem Leiden vor dem
Tod, 10.000 meist fürchterliche Suizide und 100.000 missglückte
Suizidversuche) erst mal nicht viel ändern wird.

Je vier der Richter/innen der beiden Senate des BVerfG wurden von
Mitgliedern der CDU und der SPD im Bundestag und im Bundesrat dem
Bundespräsidenten vorgeschlagen. Die Kirchennähe aller CDU- und
vieler hochrangiger SPD-Mitglieder sowie der letzten Bundespräsidenten ist
bekannt. Da die SPD bei ihren Wahlvorschlägen auf die Unterstützung der CDU
angewiesen ist, wird auch sie eher kirchennahe als kirchenkritische
Richter/innen vorschlagen.

Im September 2011 gewährte der als Kardinal besonders engagierte
Missbrauchsvertuscher www.reimbibel.de/Ratzinger-Missbrauch.pdf Dr. theol.
Joseph Ratzinger als Vorsitzender der nicht nur historisch zu bandenmäßiger
Kriminalität neigenden Römisch-katholischen Kirche acht Richtern und Richterinnen des Bundesverfassungsgerichts im Freiburger Priesterseminar
eine halbstündige Audienz: https://www.tagesspiegel.de/politik/der-papst-
und-das-bundesverfassungsgericht-hoechster-und-hoechste-
richter/4628808.html .
„Papst Benedikt XVI. ist zum ersten Mal offiziell mit den Richterinnen und
Richtern des Bundesverfassungsgerichts zusammengetroffen. An dem Treffen
im Priesterseminar nahmen insgesamt 8 der 16 Richter teil, darunter
Gerichtspräsident Andreas Vosskuhle, Vizepräsident Ferdinand Kirchhof und
Udo Di Fabio.“ Ob die aus Karlsruhe herbeigeeilten acht Richter/innen den
Bischofsring von Herrn Dr. Ratzinger küssen durften, ist nicht überliefert.

Die Kirchennähe des BVerfG hat sich auch sehr deutlich im Fall eines
katholischen Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus gezeigt. Der Arzt
hatte gegen seine Kündigung wegen Wiederverheiratung zunächst erfolgreich
beim Arbeitsgericht Düsseldorf geklagt. Auch das Bundesarbeitsgericht gab ihm
Recht. Der 2. Senat des BVerfG (unter Vorsitz von BR Voßkuhle und unter
Mitwirkung der Richter/innen Landau, Huber, Hermanns, Müller, Kessal-Wulf
und König) befand aber am 22.10.2014 laut einer späteren Pressemitteilung:
„Der Verfassungsbeschwerde des katholischen Krankenhausträgers hat der
Zweite Senat stattgegeben und das Verfahren an das Bundesarbeitsgericht
zurückverwiesen, da Bedeutung und Tragweite des kirchlichen
Selbstbestimmungsrechts bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden
sind.“
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE
/2014/bvg14-103.html

Inzwischen haben jedoch der EuGH und zuletzt das Bundesarbeitsgericht
https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/bundesarbeitsgericht-erfurt-
duesseldorf-chefarzt-katholisch-krankenhaus-100.html dem entlassenen
Chefarzt Recht gegeben, so dass das BVerfG isoliert dasteht.
Im Urteil des BVerfG ist 49 mal vom kirchlichen „Selbstbestimmungsrecht“ die
Rede. § 137 WRV ist jedoch nur ein Selbstverwaltungsrecht zu entnehmen.

Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat sah der 2. Senat so:
„Das Verhältnis zwischen Kirchen und Staat ist vielmehr gekennzeichnet durch
wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation (vgl. BVerfGE 42, 312 <330>)
und ist weniger im Sinne einer strikten Trennung, sondern eher im Sinne einer
Zuordnung und Zusammenarbeit von Staat und Kirchen auf der Basis
grundrechtlicher Freiheit zu verstehen.“ Rn. 87
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/20
14/10/rs20141022_2bvr066112.html Vom Selbstbestimmungsrecht des Chefarztes oder dessen Recht auf Privatheit
ist in der Urteilsbegründung aber nichts zu lesen. Dass dieser Senat den Kirchen
zu nahe steht, ist schon angesichts dieses skandalösen Urteils offensichtlich.

In seinem Buch „Kirchenrepublik Deutschland – Christlicher Lobbyismus“ (2015)
schrieb der Berliner Politologe Carsten Frerk, dass schon sechs Richter des (nun
für § 217 zuständigen) 2. Senats Orden vom Papst erhalten haben. (S. 295)

In Karlsruhe betreiben die Kirchen gemeinsam und unter Mitarbeit von
Bundesrichtern seit 2007 das nicht im Grundgesetz vorgesehene „Foyer Kirche
und Recht“. Dazu haben sich u.a. Der Tagesspiegel https://bit.ly/2qzyH30 ,
die Giordano-Bruno-Stiftung
https://www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/gbs/files/download/justiz.pdf
die gbs Karlsruhe https://bit.ly/2qA8rVY und Christian Rath (Legal Tribune
Online) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bundesverfassungsgericht-
christliche-kirchen-empfang-karlsruhe-beeinflussung/ kritisch geäußert.

„Der Jahresempfang steht im Kontext der Arbeit des „Karlsruher Foyers Kirche und Recht“,
der Plattform der beiden großen Kirchen für den Dialog mit den obersten Bundesgerichten in
Karlsruhe. Das „Karlsruher Foyer Kirche und Recht“ wird geleitet von Tobias Licht für die
Erzdiözese Freiburg und Akademiedirektorin Arngard Uta Engelmann für die Evangelische
Landeskirche in Baden. Sie koordinieren die Aktivitäten mit dem „Foyerkreis“, dem gegen-
wärtig 20 Personen angehören – zumeist Mitglieder der Bundesgerichte. Dieser hält die Kon-
takte in die Gerichte und bestimmt inhaltlich die Themen der vierteljährlichen
„Foyerabende“ mit. Höhepunkt des Foyer-Programms ist der Jahresempfang für die
Bundesgerichte, zu dem die beiden Bischöfe einladen.Für die beiden badischen Bischöfe ist
das „Karlsruher Foyer Kirche und Recht“ längst ein „Markenzeichen für das Gespräch
zwischen Kirche und Staat in Deutschland“ geworden, erklärten beide.“
https://bit.ly/2tp6cqg

„Karlsruhe (09.06.2011). Kardinal Kasper sprach beim Jahresempfang des Karlsruher Foyers
„Kirche und Recht“, zu dem die badische Landeskirche zusammen mit der Erzdiözese Freiburg
eingeladen hatte. Auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof,
und der stellvertretende Generalbundesanwalt, Rainer Griesbaum, kamen ins Ständehaus.“
https://www.ekiba.de/html/aktuell/aktuell_u.html?&m=31&artikel=2447&cataktuell=37
Beim Jahreseempfang dieser Lobbyorganisation im Mai 2015 sprachen:
Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden:
Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts:
Grußwort zum Jahresempfang 2018
Prof. Dr. Peter Dabrock, M.A., Vorsitzender des Deutschen Ethikrates:
Die Würde des Menschen ist granularisierbar. Muss die Grundlage unseres Gemeinwesens neu
gedacht werden?